Schauspiel: Nazihools – Die längste letzte Reihe der Welt

Wir dokumentieren hier die Inhalte der Veranstaltung. Auf „la-presse.org“ finden sich Bilder (eines haben wir auch für den Artikel verwendet) und ein Audio-Mitschnitt der Veranstaltung:

hier entlang

Der erste inhaltliche Beitrag findet sich in der neuen Broschüre des Projekts chronik.LE:

hier entlang

Er ist von der Prozessdokumentation #le1101

Ein weiterer Redebeitrag auf der Veranstaltung:

Einleitung von uns. Der folgende Beitrag ist aus einer sehr subjektiven Perspektive über die letzten Jahre verfasst. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir nicht alle Positionen teilen:


Wütend. Enttäuscht. Danke für alles.

Ich kann mich noch ziemlich genau an den 11. Januar 2016 erinnern. Ich war mit ein paar Bekannten in der Nähe der Legida-Veranstaltung als eine andere Person am Telefon darüber informiert wurde, dass gerade auf der Wolfgang-Heinze-Str. Autos von uns bekannten Leuten zerlegt werden. Meine Begleitung und ich schauten uns ungläubig an. Eine weitere Person kam vorbei, informierte über die Situation und bestätigte die Meldung. Kurz entschlossen rannten meine Begleitung und ich Richtung Innenstadt-Ring, aber es fuhren keine Straßenbahnen. Also weiter zum nächsten Taxi. Die Male in meinem Leben an denen ich mit dem Taxi gefahren bin, kann ich an einer Hand abzählen und natürlich waren auf dem Weg nach Connewitz gefühlt alle Ampeln rot. Wir spekulierten, ob unser weniges Geld das wir dabei hatten für die Fahrt schon reichen würde, tat es auch ganz knapp. Am Kreuz angekommen, traf grad eine weitere Hundertschaft der Polizei ein. Auf der Wolfgang-Heinze Str. gab es schon eine Polizeiketten, an denen sich einige Leute gesammelt hatten.

Heute wird teilweise gesagt, dass „Schlimmeres“ nicht passiert sei, weil so viele Bewohner:innen in der Innenstadt waren. Ich bin mir da eigentlich nicht so sicher.
Aus meiner damaligen WG in Connewitz war ich der einzige in der Innenstadt und von einem Großteil der Leute die sich dann auf der Straße sammelten hatte ich nicht den Eindruck oder wusste es, dass sie von zu Hause oder aus einer den anliegenden Kneipen kamen.

Genervt von den vielen Schaulustigen an den Absperrungen, war ich froh, dass es noch ein paar Gruppen gab, die die Faschos nicht einfach so davon kommen lassen wollten, diese waren neben jenen Menschen, die den betroffenen Läden beim Aufräumen und Verbrettern geholfen haben, einer der Lichtblicke dieses Abends. In den folgenden Tagen wurde sich viel getroffen und ausgetauscht. Veranstaltungen wie die Demo, die Kundgebung mit dem Straßenfrühstück oder die Informationsveranstaltung im Conne Island, waren alle sehr gut besucht. Und eine zeitlang war es kaum möglich sich in Gruppen auf der Straße zu treffen, ohne, dass Andere gleich wieder an einen erneuten Angriff dachten und Alarmmeldungen absetzten. Von der Vernetzung, der Sensibilisierung und den Vorbereitungen vor einem erneuten Angriff, sowie dem Intresse etwas über die Strukturen hinter dem Angriff der Neonazis zu erfahren, ist heute kaum noch etwas übrig.

Ich bin wütend darüber, was ich im Nachgang von den Menschen, die während des Angriffs auf der Straße waren, erfahren musste. Was die Polizei alles zu den Betreiber:innen der Läden gesagt hat und wie die „Ermittlungen“ gelaufen sind. Wie offensichtlich Polizist:innen vor der Tat im Austausch mit Tätern standen. Dann die Geschichte mit dem Justizbeamten, der immer noch nicht seinen Prozess hatte. Oder dem Projektleiter der MDR-Tochterfirma, der ziemlich eng in den rechtsradikalen Strukturen dieser Stadt steckt und niemand darüber berichten will. Ich bin wütend, dass auf den Baustellen für die Neubauten in der Wolfgang-Heinze-Straße bekannte Faschos und auch Angreifer vom 11. Januar arbeiten und dies niemanden zu stören scheint.

Ich bin enttäuscht, dass Menschen zum Teil ohne größere Begleitung aus dem Stadtteil aussagen mussten. Dass Menschen, die versuchen eine Prozessbeobachtung durch zu führen, im Gericht von Neonazis bedroht werden können. Dass die engagierten Mitglieder der Prozessbeobachtungsgruppe in ihrer Anzahl eine Begleitung der Prozesse über einen so langen Zeitraum unmöglich stemmen können.
Enttäuscht darüber, dass im letzten Jahr im bayrischen Würzburg mehr Menschen gegen einen Neonazi, der beim Angriff in Connewitz dabei war, auf der Straße vor seinem neuen Laden waren als sich in den letzten Jahren in Leipzig für die Prozesse interessierten.

2016 gab es Ansätze und Bestrebungen, dass die Menschen jetzt eher ihre Blase in Connewitz verlassen und jene Menschen in Sachsen, der Provinz, unterstützen, denen es noch beschissener geht, die nicht so viel bundesweite Solidarität nach rechten Angriffen erfahren, wie Connewitz nach dem 11. Januar. Davon ist heute, 5 Jahre danach, kaum noch etwas übrig.

Nicht aufgeben.

Aber heute ist auch ein Ort und Tag, einmal Danke zu sagen. Danke an die Menschen in antifaschistischen Recherchestrukturen, die immer wieder die Netzwerke und Faschos bekannt machen und offenlegen. Die Journalist:innen, die recherchieren, berichten und sich nicht unterkriegen lassen. Danke an die Menschen und Projekte in Connewitz, die Prozessbeobachtung, Chronikle,„Rassismus tötet!“- Leipzig für die Veranstaltungen, Demos und Kundgebungen, die Solidaritätsarbeit und all die Texte in den letzten Jahren. Danke an alle Antifaschist:innen, für die Antifaschismus bis heute Handarbeit ist, die Neonazis das Leben schwer machen und dafür vom Staat verfolgt werden.

Freiheit für Lina und alle Antifaschist:innen.

Vielen Dank für diese Veranstaltung heute und an alle daran Beteiligten.

Alerta Antifascista