Seitdem im September 2013 der Bau einer Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde bekannt wurde, regt sich in Leipzig Protest aus der Neonazi-Szene, aber auch aus der bürgerlichen Ecke. Einwände, wie „der Islam gehört nicht zu Deutschland“, eine vermeintliche drohende Überfremdung der Stadt, inner-islamische Auseinandersetzungen oder aber die Ungeeignetheit des Standortes im Leipziger Ortsteil Gohlis heizen die Stimmung an.
Auf der Facebookseite der rein virtuell agierenden Bürgerinitiative „Gohlis sagt nein“ wurde ausgiebig darüber sinniert, der verbalen Ablehnung auch Taten folgen zu lassen. Und die genüsslich ausgebreiteten Pläne wurden Realität: im November 2013 platzierten Unbekannte fünf aufgespießte Schweineköpfe und ein Feuer auf dem Baugelände. Erst nach diesem Akt distanzierte sich eine lokale CDU-Funktionärin, die bis dahin im Namen der BI agierte. Katrin Viola Hartung, die auch hier in Gohlis für die CDU für den Stadtrat kandidiert, trat bis dahin als akteurin von „Gohlis sagt Nein“ in Erscheinung und zeichnete auch für eine Online-Petition gegen den Moscheebau verantwortlich. Bis April unterschrieben 11.000 Menschen, die zum großen Teil nicht aus Leipzig kommen, diese online-Petition. Bei der Unterschriftenübergabe zur Sitzung des Leipziger Stadtrates im April enttarnte sich die bis dahin gesichtslose BI als Initiative der NPD. Die gesamte NPD-Funktionärsriege lief im Rathaus auf und demonstrierte Stärke. Hartung behauptete zu diesem Zeitpunkt die Petition vertrauensvoll in die Hände der BI gegeben hätte, ohne von deren NPD-Durchsetzung gewußt zu haben. Ein Blick auf die Facebook-Seite, auf der es von rassistischen Tiraden und NPD-Propagana nur so wimmelt, hätte ihr wohl Klarheit verschaffen können.
Neben dem Asyl-Thema ist der Moscheebau für die NPD das Hauptkampffeld für die Wahlkämpfe. Doch auch die AfD in Leipzig bläst zum Sturm gegen den „Islam light“ der Ahmadiyya-Gemeinde, der nur das Einfallstor für „stärkere Varianten“ (des Islam) sei. Nicht zu vergessen die CDU: sowohl die für ihre zweifelhaften Aussagen zu Asyl bekannte Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla als auch der Landtagsabgeordnete und Stadtrat Wolf-Dietrich Rost positionierten sich klar gegen den Standort für das Gebetshaus. Beide taten sich bereits gegen Asylstandorte in ihren Wahlkreisen hervor.
In der Stadt Leipzig leben schätzungsweise 5000 Muslime, die insgesamt fünf Moscheen bzw. offene Gebetsräume nutzen können. Der Unterschied zum geplanten Neubau ist, dass dieser als Moschee erkennbar wäre. Zwei Zierminarette sollen das für 100 Menschen konzipierte Gebäude schmücken. Für die GegnerInnen ist genau dies eine Provokation und der Grund das Ende des von ihnen halluzinierten christlichen Abendlandes zu beschwören. Bereits in Berlin-Heinersdorf gab es 2006 heftige rassistische Proteste gegen das erste muslimische Gebetshaus mit Minaretten in Ostdeutschland. Auch hier mischten sich Nazis, zusammen mit etablierten rechts-außen Politikerinnen und Politikern und ein Bürgermob, der bis aufs Messer gegen den Moscheebau vorging. In Berlin wurde die Moschee gebaut. Dies führte weder zu großräumigen Missionierungen, zu Terroranschlägen, Kämpfen zwischen rivalisierenden Glaubensrichtungen oder dazu, dass Biodeutsche aus dem Kiez verdrängt wurden.
Doch wie kann sich eine antirassistische Linke in diese Debatte einbringen? Scheint es doch nicht angebracht mit wehenden Fahnen für ein Gebetshaus für Menschen egal welcher Glaubensrichtung auf die Straße zu gehen. Wie sagte der alte Marx? Religion ist das Opium des Volkes.
Es ist die Religionsfreiheit, die explizit die Freiheit nicht zu glauben einschließt, die die Klammer für ein linkes Engagement in Sachen Moscheebau, ist. Es kann nicht darum gehen Religionen – egal ob das in Deutschland hegemoniale Christentum, das Judentum, den Islam etcpp – unkritisch gegenüberzustehen.
Es gilt die Doppelmoral aufzudecken, mit der gegen mangelnde Geschlechtergleichstellung oder mangelnde Offenheit gegenüber nicht-hetereosexuellen Lebensweisen bei nicht-christlichen Religionen agitiert wird. Insbesondere eine sächsische CDU hat sich hier gegenüber der Ahmadiyya-Gemeinde nicht aus dem Fenster zu lehnen. Hinter der liberal daherkommenden Islamkritik verbirgt sich nichts anderes als eine kulturalistische Spielart des Rassismus. Es sind etablierte Protagonisten wie SPD-Mitglied Tilo Sarrazin oder die im Aufwind begriffene Alternative für Deuschtschland, die die tief sitzenden Ressentiments gegen den Islam schüren und als etwas per se minderwertiges und Fremdes klassifizieren.
Auch wenn sich die Moscheedebatte in Leipzig im Moment in ruhigem Fahrwasser befindet, darf die mobilisierende Wirkung der islamfeindlichen und letztlich rassistischen Diskurse nicht unterschätzt werden. Dies kann sich bspw. im Einzug der AfD ins Europaparlament am kommenden Sonntag erweisen.
Darum: zeigen wir uns weiter solidarisch gegen die rassistischen und populistischen Mobilisierungen gegen den Moscheebau in Gohlis, egal ob er im Schlips-und-Anzug-Image der AfD oder in Gestalt der neonazistischen NPD und ihrer Schlägertrupps daherkommt.
Rassismus tötet! Leipzig, 24.5.2014