Gegen jeden Sozialdarwinismus – In Gedenken an André K.

In der Nacht zum 27. Mai 2011 wird der schlafende Wohnungslose André K. (50) am Oschatzer Südbahnhof von mindestens fünf Männern im Alter von 16 bis 36 Jahren angegriffen und brutal zusammengeschlagen. Er wird nach dem Gewaltexzess schwer verletzt und hilflos zurückgelassen und erst am Morgen des 27. Mai aufgefunden. K. erliegt am 1. Juni 2011 seinen schweren Verletzungen. Am 8. Juni nimmt die Polizei drei Männer im Alter von 25 bis 36 Jahren fest. Unter den Tätern befindet sich Ronny S. (27) aus Oschatz, der der ehemaligen JN Oschatz bzw. dessen Nachfolger, der JN Nordsachsen, zuzurechnen ist.

Selbst das Gericht bezeichnet den Angriff auf André K. als „Gewaltorgie“. Dennoch lehnt der Vorsitzende Richter Norbert Göbel den Beweisantrag der Nebenklagevertretung, der darauf abzielt, mögliche rechte bzw. sozialdarwinistische Tatmotive zu prüfen, ab. André K. war obdachlos, diese Tatsache und die Gesinnung der Täter waren Hinweise auf ein sozialdarwinistisches Motiv. Es teilt in Gewinner*innen und Verlierer*innen ein, schreibt ihnen somit einen gesellschaftlichen Marktwert zu, womit die Abwertung von Menschen einhergeht. Sozialdarwinismus wendet sich oft gegen Personen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, wie etwa Obdachlose, Alkoholiker*innen und Drogenabhängige.

Wie weit diese Ressentiments verbreitet sind, zeigt sich auch vor Gericht: Im Prozess gegen die Mörder von André K. äußert sich Richter Göbel bei der Vernehmung eines wichtigen Zeugen selbst herabwürdigend gegenüber Erwerbslosen: „Sie müssen sich doch erinnern können, Sie haben als Arbeitsloser doch sonst nichts zu tun.“

Im Januar 2013 werden die fünf Täter wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt. André K. hinterlässt einen Sohn und eine Tochter und wird bis heute nicht offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.

Dieser Fall ist leider keine Ausnahme: Sozialdarwinismus als rechtes Tatmotiv wird allzu oft außer Acht gelassen, die Opfer und ihr Leiden geraten in Vergessenheit. Sozialdarwinismus ist nicht nur einendes Moment rechter Bewegungen, sondern auch gesamtgesellschaftlich weit verbreitet. Die Menschen, die ohnehin tagtäglich an die Grenzen der Gesellschaft gedrängt, schikaniert und diskriminiert werden, erhalten auch, nachdem sie Opfer schwerer Taten wurden, keine gesellschaftliche Solidarität. Wir wollen uns sowohl inhaltlich mit Sozialdarwinismus auseinandersetzen als auch den Opfern dieser Gewalt gedenken.


Gedenkveranstaltung Oschatz:

01.06.2023 am Oschatzer Südbahnhof um 18 Uhr

Vortrag Obdachlosenhass und Sozialdarwinismus


07.06.2023 18 Uhr im Plaque

Wohnungs- und Obdachlose werden von der Gesellschaft ausgegrenzt und auf der Straße angegriffen. Die Täter*innen praktizieren dabei gegen obdachlose Menschen einen Sozialdarwinismus der Tat, der durch einen Sozialdarwinismus des Wortes vorbereitet wird. Das brutale Ergebnis sind nach unterschiedlichen Statistiken mindestens 33 ermordete Obdachlose seit 1990. Täter sind zumeist rechtsextreme Cliquen oder sogenannte „unpolitische“ Jugendliche. Beide Tätergruppen teilen aber eine gemeinsame Ideologie, den Sozialdarwinismus. Was das ist und was er mit den deutschen Zuständen zu tun hat, soll in einem Vortrag erklärt werden.

Der Referent Lucius Teidelbaum ist freier Journalist, Publizist und Rechercheur zum Thema extreme Rechte und anliegende Grauzonen. Von ihm erschien 2013 im Unrast-Verlag das Buch „Obdachlosenhass und Sozialdarwinismus“.

Gegen jeden Sozialdarwinismus! – Gegen jede Konkurrenz- und Leistungsgesellschaft!
Für eine solidarische Gesellschaft!
Solidarität mit den von Sozialdarwinismus Betroffenen!
In Gedenken an den von Neonazis ermordeten André K. und andere aus sozialdarwinistischen Motiven Getöteten.