Redebeitrag von „Undogmatische Radikale Antifa Dresden“ auf der Demo am 24.10.2020

Lange war es ruhig, nach offizieller Lesart. Doch nach der Selbstenttarnung des sogenannten
 “Nationalsozialistischen Untergrunds” (NSU) im November 2011 war das Erschrecken groß,
konnten sich Politik und große Teile der Mehrheitsgesellschaft bis dato schlicht nicht vorstellen,
dass von (Neo-)Nazis tatsächlich Gefahr ausgeht. Ja, sogar tödliche.
Im Oktober 2019 zieht ein “vermutlicher Einzeltäter” an Jom Kippur durch das Paulusviertel in
 Halle an der Saale und tötet zwei Menschen. Hauptsächlich getrieben von Antisemitismus und
 Antifeminismus, war das Ziel ein Massenmord an den jüdischen Besucher*innen der Synagoge von
 Halle. Wieder ein “Alarmzeichen”, in “Deutschland unvorstellbar”.

Im August 1979 werden zwei Vetragsarbeiter* in Merseburg (Sachsen-Anhalt) von (Neo-)Nazis
getötet. 1980 kommt es zum Attentat auf das Münchner Oktoberfest – 13 Menschen sterben und
 211 werden teils schwer verletzt – und in Erlangen werden der Rabbiner und Verleger Shlomo
 Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke ermordet. Laut Amadeu-Antonio-Stiftung wurden
allein seit 1990 mindestens 198 Menschen durch rechte Gewalt getötet (+ 12 Verdachtsfälle), davon
19 in Sachsen.

Der Lebensweg vieler Menschen die von Nazis und der Mehrheitsgesellschaft als “nichtdeutsch”
 Wahrgenommene, aus sozialchauvinistischen Gründen aus der gesellschaftlichen Mitte
ausgeschlossen werden, wird bis heute von Hass begleitet.
 Antifaschist*innen, die sich seit Jahren, seit Jahrzehnten dem Hass und rechter Gewalt
entgegenstellen, sind oft genug selbst damit konfrontiert, fühlen sich von der Zivilgesellschaft
alleine gelassen und werden massiv vom Staat kriminalisiert. Stichwort: Baseballschlägerjahre 
Drei Tote durch rechte Gewalt in 2019 sind ein “Alarmsignal”, ein “Alarmzeichen” und “in
 Deutschland unvorstellbar”? Mordende, vor allem gezielt mordende Rechte immer wieder nur
“Einzeltäter”?

19zuViel soll zeigen, dass rechte Gewalt alltäglich ist und wirklich alle treffen kann, aber meist die
Marginalisierten trifft. Die nach dem Bekanntwerden rechter Gewalt erprobte, hohle
 Betroffenheitschoreografie der hiesigen Mehrheitsgesellschaft muss endlich aufhören, denn
 Menschenfeinden und Brandstifter*innen muss das Handwerk gelegt werden! Rechte Gewalt
 beginnt nicht erst mit dem Tritt gegen den Kopf. Sie beginnt mit einem gesamtgesellschaftlichen 
System, in der Menschen nach Herkunft, Konformität und Verwertbarkeit selektiert werden. In der
 das Image des Standortes mehr zählt, als die Unversehrtheit nichtrechten Lebens und kritische
 Stimmen wider dem rechten Zeitgeist. Eine Stimmung, in der der Bundesinnenminister tönt: “Nie
wieder!”, aber das Engagement gegen Rechts diskreditiert, ja kriminalisiert wird und man lieber 
(Neo-)Faschist*innen zuhört, anstatt den Betroffenen rechter Gewalt. 
Wie aktuell und real die Gefahr ist, zeigt der rechte Tötungsversuch in der Nacht auf den 30. August
in Dresden. In dieser Nacht stach ein 16-jähriger Nazi auf zwei Nicht-Rechte ein und verletzte sie 
lebensgefährlich. Die Dresdener Staatsanwaltschaft will bis heute kein politisches Tatmotiv sehen
 und die Presse scheint es, bis auf wenige Ausnahmen, nicht zu interessieren.

Werte Mehrheitsgesellschaft, nimm diese rechte Scheiße endlich ernst und bekämpfe sie, anstatt Faschos ständig klein oder nach dem Maul zu reden! Trotz strukturellen Rassimus in den deutschen
 Sicherheitsbehörden, NSU2.0 und No-Go-Areas in manchen Regionen, reicht es meist nur zu einem
 wohlorchestrierten Reigen aus Empörung und Entsetzen. So verweigert sich der Heimat-Horst
 vehement gegen Studien zu rechten Einstellungen im hiesigen Sicherheitsapparat, da es diesen 
stigmatisieren würde. Aber rechte Gewalt ist für Viele hierzulande Alltag, das können wir nichtzulassen. Und es geht hier nicht um Außnahmen oder Verrückte, denn wer aus einer
menschenverachtenden Ideologie heraus tötet, ist nie “Einzeltäter”!

Deshalb lasst uns Alle gemeinsam für einen antifaschistischen Selbtschutz sorgen, der den
 Menschenfeinden von CDU, AfD und den Neonazis wirklich etwas entgegensetzen kann.

19 zuviel:

31. März 1991 – Jorge João Gomondai

11. Oktober 1992 – Waltraud Scheffler

19. Februar 1992 – Mike Zerna

28. Mai 1994 – Klaus R.

20. November 1994 – Michael Gäbler

25. Mai 1995 – Peter T.

08. Mai 1996 – Bernd Grigol

23. Oktober 1996 – Achmed Bachir

29. Dezember 1998 – Nuno Lourenco

02. Oktober 1999 – Patrick Thürmer

31. Januar 2000 – Bernd Schmidt

20. April 2003 – Günter T.

04. Oktober 2003 – Thomas K.

23. Juli 2008 – Karl-Heinz Teichmann

01. Juli 2009 – Marwa El-Sherbini

24. Oktober 2010 – Kamal Kilade

27. Mai 2011 – André Kleinau

01. März 2017 – Ruth K.

17. April 2018 – Christopher W.

Undogmatische Radikale Antifa Dresden