Redebeitrag von „Rassismus tötet!“ auf der Demo am 24.10.2020

Wir vergessen nicht.

Seit 10 jähren stehen wir hier und erinnern an den den Mord an Kamal.
Ich hatte nie das Glück ihn persönlich kennen zu lernen. Auch seine Familie lernten ich und andere erst nach dem Mord an Kamal kennen. Wir waren bei ihm zu Hause, wir standen an seinem Grab, gedachten ihm und erinnerten an ihn, zusammen mit seiner Familie und Freund*innen.

Wir kämpften mit der Familie vor Gericht für die Bennenung der Motive der beiden Neonazis, die ihn ermordeten. Sie ermordeten Kamal, weil sie bekennende Rassisten sind.

Wir haben nicht vergessen, was der Familie im Zuge der Ermittlungen angetan wurde. Die rassistischen Funksprüche der Polizei am Tatabend, die rassistischen Beschimpfungen am Straßenrand beim Trauerzug zum Friedhof durch Passant*innen. Wir haben auch die rassistischen Kommentierungen in der Lokalpresse nicht vergessen. Den Rassismus in der LVZ oder der Leipziger Internetzeitung L-IZ, die uns Kaffeesatzleserei vorwarfen, weil wir auf die politische Organisierung der Täter hinwiesen. Die L-IZ meinte sogar, wir würden „Gesinnungsjustiz“ betreiben.

Wir haben den Prozess nicht vergessen. Polizist*innen, die sich nicht an Nazi-Tattoos auf dem ganzen Körper der beiden Täter erinnern konnten. An Thor Steinar Klamotten, die die Täter trugen. Dass sich der Kripo-Beamte weigerte den Tatabend zu rekonstruieren in dem er sich nicht “traute” die einschlägig bekannte Kneipe „Käfer“ auf der Wurzner Straße, zu betreten, weil sie ihm zu “zwielichtig” erschien.

Wir haben die wohl kürzeste Hausdurchsuchung von rund einer Viertel Stunde in der Geschichte der Stadt beim Sohn eines Leipziger Polizisten nicht vergessen. Bei dieser wurde nichts beschlagnahmt , obwohl dies der Auftrag für die Polizist*innen vom Staatsschutz war, um etwas über die Motive der Täter zu erfahren.
Die Tasche des einen Täters war weg. Sie wurde ein paar Tage später vom Vater – selbst ein Polizist, der sich auf Facebook ebenfalls einschlägig äußerte – ins Gefängnis gebracht. Fragen, wie die Tasche in seinen Besitz gelangt war, warum sie nicht in der Wohnung seines Sohnes war, werden nicht gestellt.

Aufgearbeitet wurde das nie. Auch nicht die Situation mit den Sanitäter*innen, die sich eines Abends weigern, medizinische Hilfe bei der Familie von Kamal zu leisten.
Wir vergessen nicht, dass sich die Stadtspitze nie zu dem rassistischen Mord geäußert hat, an keiner Stelle gegenüber der Familie ihr Beileid bekundete.

Wir vergessen nicht, dass der Bruder von Kamal für einen Redebeitrag auf einer Demonstration in Gedenken an Kamal hier, am Tatort, wegen angeblicher „Volksverhetzung“ angezeigt wurde, als er schilderte, was ihm und seiner Familie in Bezug auf den Mord an seinem Bruder alles widerfahren ist. Wir haben absolutes Verständnis, dass er mit dieser Stadtgesellschaft brechen wollte. Die staatlichen Strukturen sahen das natürlich anders und gingen gegen ihn vor. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass jemand aus der Familie hier gestanden, und durch ein Mikro zu uns gesprochen hat.

All das vergessen wir nicht.

Wir vergeben nichts!
Daniel, du „treibende Kraft“ eines rassistischen Mordes, du Polizistensohn, wir vergeben dir nicht. Wir wissen, was du vor dem Oktober 2010 gemacht hast.
Dass du im Oktober 2005 in Langerwehe bei Aachen einen nicht-rechten Jugendlichen u.a. als “Scheiß-Zecke” beschimpft und körperlich bedroht hast. Als du im Februar 2007 im Landgericht Aachen wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt wurdest, als du zugesehen hast, wie eine junge Frau aus dem Umfeld der Kameradschaft Aachener Land von zwei “Kameraden” misshandelt wurde. Dass du im gleichen Jahr zu drei Jahren Haft verurteilt wurdest wegen Geiselnahme und gefährlicher Körperverletzung. Dies geschah, weil du gemeinsam mit anderen Neonazis bei einer kameradschaftsinternen Racheaktion zunächst die Schwester eines “Kameraden” über Stunden entführt hast, um dessen Aufenthaltsort zu erfahren, und mit dem erpressten Wissen über den Mann hergefallen seid.

Wir wissen, dass du immer noch ein Fascho bist. Wir sagen, es gibt keine Ruhe für Faschisten wie dich! Wir wissen, dass du wieder draußen bist und weiter machst. All das vergessen und vergeben wir nicht.

Wir wünschen uns, dass kein Opfer rechter Gewalt je vergessen wird. Wir werden auch in den nächsten Jahren hier am Tatort sein und vielleicht seid ihr es auch mit uns, der Familie und allen Freundinnen, die für eine Gesellschaft kämpfen, in der kein Mensch mehr ermordet wird.
Wir wollen, dass der rechter Terror aufhört. Dafür bedarf es aktiver Menschen, Antifaschist*innen, Migrantifas, Fantifas und viele mehr. Euch alle, die ihr hier seid und noch mehr.

Niemand ist vergessen nichts ist vergeben! Kamal K., das war Mord, Kampf dem Rassismus an jedem Ort!