Pressemitteilung 25.10.2015

+++ 900 Menschen Gedenken an Kamal K. +++ Lehmann-Grube und Gugutschkow sollten Äußerungen zu rassistischen Mord 1996 überdenken +++ Gruppe “Rassismus tötet!”-Leipzig fordert Entfernung des „Vertriebenen“-Banners am Neuen Rathaus +++

Dem Demonstrationsaufruf der Gruppe „Rassismus tötet!“-Leipzig zum fünften Jahrestag des Mordes an Kamal K. folgten mehr als 900 Menschen. Die Demonstration stand unter dem Motto „5 Years of anger and sorrow – Fight Racism“ und sollte neben Kamal an alle zehn Todesopfer – Gerhard S., Klaus R., Gerhard Helmut B., Horst K., Achmed B., Bernd G., Nuno L., Thomas K., Karl-Heinz T. – rechter Gewalt seit 1990 in Leipzig erinnern. „Die Ermittlungen zum Mord an Kamal K. standen im Fokus unserer Demonstration“, so Miriam Schleicher von „Rassismus tötet!“-Leipzig. Schleicher: „So ist bis heute die Rolle des Leipziger Polizeibeamten Jens K., Vater des Täters Daniel K., nicht aufgeklärt. Jens K. gab wenige Tage nach dem Mord eine Reisetasche bei der Polizei ab, jedoch nach der oberflächlich-durchgeführten Hausdurchsuchung in Daniel K.s Wohnung. Die Tasche war mit rechter Literatur und Kleidungsstücken mit rechten Aufdrucken gefüllt und würde Marcus E. gehören. Der Weg, den die Tasche genommen hatte, hätte eigentlich Fragen aufwerfen müssen. Die Tasche wurde bei der Hausdurchsuchung nicht gefunden und rassistisches Material, wie von der Staatsanwaltschaft beauftragt, auch nicht beschlagnahmt. Auch wurden die neueren Enthüllungen von engen freundschaftlichen Kontakten von Leipziger Polizisten zum Neonazis Alexander K. von „Die Rechte“ thematisiert, die ebenfalls bis heute nicht aufgearbeitet wurden oder Konsequenzen für die Beamten hatten.

Doch nicht nur die polizeiliche Ignoranz bei dem Mord an Kamal K. wurde thematisiert, sondern auch die Leugnung des rassistischen Tatmotivs beim Mord an Achmed B. am 23. Oktober 1996 durch zwei Neonazis. „So meinte der damalige Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube: ‘Ein rechtsextremes Potenzial ist mir hier nie begegnet.’ Der Ausländerbeauftragte Stojan Gugutschkow erklärte: ‘Es hätte auch irgendeinen Deutschen treffen können.’ Bis heute haben weder Lehmann-Grube noch Gugutschkow jene Äußerungen zurückgenommen, obwohl Achmed B. seit Februar 2012 offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt ist. Eine zur Kenntnisnahme der Anerkennung sowie die Zurücknahme der Aussagen halten wir daher für dringend erforderlich.“, so Schleicher weiter.

Bei einer Zwischenkundgebung in der Nähe des Neuen Rathauses wurde in einem Redebeitrag auch das „Vertriebenen“-Banner kritisiert. „Die Annahme durch den Vergleich zwischen Danzig 1945 und Kobanê 2015 das Herz deutscher Rassist_innen für Geflüchtete erweichen zu können, ist ein falscher. Falsch nicht nur, weil die Realität – Täglich greifen Deutsche Geflüchtete und ihre Unterkünfte an, verüben Brandanschläge und Gewalttaten, mobilisieren zu Aufmärschen und versuchen alles, um Asylsuchende nicht willkommen zu heißen – gegenteiliges zeigt, sondern ebenso historisch betrachtet.“, so Schleicher. „Diese emotionalisierende Gleichsetzung bringt Menschen, die wegen einer Notlage aus ihrem Herkunftsland fliehen müssen, mit einem Personenkreis in Verbindung, der zumindest vor 1945 mehrheitlich die NS-Politik begeistert unterstützte. Durch den ausschließlichen Fokus auf Flucht, werden beide Ereignisse zu etwas Gleichem gemacht, ohne jedoch Ursachen und Gründe für die jeweilige Fluchtbewegung zu nennen. Deutsche Zuschauer_innen, Profiteur_innen durch Arisierung und Täter/innen werden somit ihrer Verantwortung und bewussten Entscheidung, sich nicht gegen den Nationalsozialismus zu stellen, sondern ihn mitzutragen und zu befördern, enthoben.“, so Schleicher.

„Solchen visuellen Mitteln zur Durchsetzung der Opfer-Täter-Umkehr darf kein Raum geboten werden. Daher sollte, sofern die Unterstützung Geflüchteter seitens der Stadt ernst gemeint ist, zukünftig das Geld an Asylsuchende und nicht in Banner gehen. Und jenes sollte schnellstmöglich entfernt und sinnvoller genutzt werden: So beispielsweise als Jute-Beutel. Mögliche Einnahmen können Projekten gegen Rassismus zu Gute kommen.“, so Schleicher abschließend.