Aktiv Gedenken statt schweigend Vergessen!

Antifaschistisches Gedenken ist unerlässlich. Das überwiegende Schweigen der Gesellschaft zu rassistischen, sozialdarwinistischen, sexistischen, homosexuellenfeindlichen und antisemitischen Zuständen ist allgegenwärtig. Dieses Schweigen gilt es zu durchbrechen. So wurden in Leipzig seit 1990 mindestens 10 Menschen aus rechten Motiven ermordet. Seit 2011 fand deshalb in Leipzig eine jährliche Gedenkdemonstration für den 2010 von Neonazis ermordeten Kamal K. statt. Diese Demonstration war ein Gedenken an alle Opfer rechter Gewalt. Mit der Veranstaltungsreihe “Aktiv Gedenken statt schweigend Vergessen!” soll über das weitere Jahr an Opfer rechter Gewalt erinnert werden.

Aktives Gedenken!

Das aktive Erinnern an rechte Gewalttaten und an die Konsequenzen, welche diese für die betroffenen Familien und Freund*innen haben, ist zentral für eine antifaschistische Politik. Der Blick auf den NSU-Komplex zeigt deutlich, dass die Arbeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und Gerichtsverfahren kaum greifen. Erst durch das Eingreifen nichtstaatlicher Gruppen und Initiativen wird den Opfern, Betroffenen und deren Angehörigen ein angemessenes Gedenken ermöglicht.
Nicht nur, dass die Aufklärung rechter Gewalttaten häufig durch das Nichtbennen rassistischer Tatmotive behindert wird, sind es in der Regel staatliche Akteur*innen, die ein Erinnern im Sinne der Betroffenen verhindern oder sabotieren.
Das Anklagen rechter Übergriffe und das vehemente Erinnern daran muss politische Selbstverständlichkeit sein. Die Tat an sich verdeutlicht die gesellschaftlichen Zustände. Es sollte nicht zuletzt all denen, die als Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft frei von diskriminierenden Alltagserfahrungen sind und über allgegenwärtige Privilegien verfügen, vergegenwärtigen, welche tödlichen Konsequenzen menschenverachtende Einstellungen mit sich bringen.

Denkmal? Denk mal!

Ein Denkmal oder ein Gedenkstein ist eine klassische Forderung, um an rechte Morde oder Gewalttaten zu erinnern. Auch in Leipzig gibt es einen Gedenkort für Todesopfer rechter Gewalt seit 1990, jenen für Kamal K.. Doch nicht alle Todesopfer rechter Gewalt haben einen solchen Ort der Erinnerung erhalten. Denn eine Gedenktafel anlässlich einer rechtsmotivierten Gewalttat zu errichten, bedeutet für die städtische Politik lediglich negative Eigenwerbung.
Gedenkorte sind wichtig, weil sie ein Zeichen gegen das Vergessen und Verdrängen in einer Gesellschaft sein können. Oft werden rechte Morde als abegschlossene Ereignisse tituliert. Diese können jedoch nicht als singuläre Taten gesehen werden, sondern müssen in die gesellschaftlichen Kontinuitäten von Rassismus und rechter Gewalt in Deutschland und speziell hier in Leipzig betrachtet werden.

Gedenkorte sollen zudem ein dauerhafter Platz der Erinnerung für die Betroffenen und Hinterbliebenen sein. Aus diesem Grund möchten wir mit unserer diesjährigen Veranstaltungsreihe „Aktiv Gedenken statt schweigend Vergessen!“ an all diese Menschen erinnern. Das werden wir auch an den Orten tun, an denen es bisher keine Erinnerung für die Ermordeten gibt.
Wir werden eine Reihe von Kundgebungen und Aktionen veranstalten und mit euch an die Orte fahren, die zu Tatorten rechter Gewalt wurden. Wir wollen damit eine Verknüpfung von  Gedenkorten und konkreten politischen Forderungen herbeiführen:

■ Benennung der Ereignisse und ihrer dahinter stehenden menschenverachtenden Ideologien
■ Aufmerksamkeit für die Situation der Betroffenen
■ Auseinandersetzung mit den Ursachen rechter Gewalt

Denn eines darf nie vergessen werden: Ein Gedenkort bedeutet nicht gleichzeitig ein aktives Gedenken. Dieses gilt es immer wieder zu erneuern und mit der Gefahr rechter Gewalt im Hier und Jetzt in Verbindung zu bringen. Nach der Schaffung eines Gedenkortes darf der Diskurs um die Hintergründe der Taten nicht aufhören. Und an all den Tatorten wollen wir diese Debatte zu den Menschen in der Nachbarschaft tragen, die die Taten wahrscheinlich längst vergessen haben. Diesem Vergessen wollen und müssen wir entschieden entgegen wirken. Es gilt immer noch:

Kein Vergessen – Kein Vergeben.
Für ein aktives Gedenken.

“Rassismus tötet!” – Leipzig, Mai 2017