Eröffnung des ersten Gedenkortes für Opfer rechter Gewalt in Leipzig

Fast hätte die Ästhetik der Politik einen Strich durch die Rechnung gemacht: Der erste Entwurf für einen Gedenkstein, mit dem im Dr.-Müller-Park gegenüber des Hauptbahnhofs in Leipzig an einen rassistischen Mord und dessen Opfer erinnert werden sollte, wurde von den Denkmalschützern abgelehnt.

Der Park, in dem in der Nacht des 24. Oktober 2010 der junge Iraker Kamal K. von zwei Neonazis erstochen wurde, ist als Denkmal geschützt; der Stein, der ein aufgeschlagenes Buch zeigen sollte, wurde als unpassend erachtet.

Nun wurde, rechtzeitig zum dritten Jahrestag des Mordes, am Donnerstag doch ein Gedenkstein eingeweiht: ein weniger auffälligerer Findling mit einer Glasplatte. Der Text darauf zitiert die Mutter des damals 19 Jahre alten Kamal, eines koptischen Christen, der nach Deutschland geflohen war. Sie habe stets um ihre Söhne gebangt und diese etwa gemahnt, Straßen vorsichtig zu queren, erinnert sich die Frau in rührenden Worten. Statt dessen sei Kamal Opfer einer »rassistischen Ideologie« geworden. »Mir fehlen«, schließt der Text, »sein Lachen und seine Träume.«

Der Gedenkstein, der am Fußweg zwischen Bahnhof und Innenstadt steht, ist hartnäckigem Engagement einiger Leipziger Bürger und Initiativen geschuldet. Zunächst hatte das Rathaus auf vorhandene Erinnerungsorte für NS-Opfer verwiesen. Eine »AG Erinnerungspolitik« hielt das nicht für ausreichend. Das Gremium, in dem der Migrantenbeirat und die Opferberatung sowie das städtische Zentrum für demokratische Bildung mitarbeiteten, entwickelte Ideen für einen eigenen Gedenkort. Kamals Familie sei einbezogen worden, sagt Juliane Nagel, Stadträtin der LINKEN.

Ein Bildhauer setzte den Entwurf schließlich um – der dann indes von der AG »Kunst am Bau« als nicht passend eingestuft wurde. Einen Durchbruch brachte erst ein Gespräch von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) mit der Familie im September. Nur vier Wochen später wurde jetzt der Erinnerungsort eingeweiht.

Neben Kamal K., dessen Mörder 2011 zu drei und 13 Jahren Haft verurteilt wurden, starben seit 1990 in Leipzig fünf weiteren Menschen nach Übergriffen von Neonazis. Die offizielle Statistik verzeichnet nur drei rassistische Morde. Daneben mussten aber ein Wohnungsloser, ein Homosexueller und ein sozial benachteiligter Mann ihr Leben lassen.

Darüber hinaus verweist die Kampagne »Rassismus tötet« auf weitere drei Verdachtsfälle. Sie sieht Leipzig damit bundesweit auf Platz zwei der Statistik rechter Morde. Die Einweihung des Gedenkortes sei »ein wichtiger, jedoch nur ersten Schritt auf dem Weg zur Etablierung einer eigenen Erinnerungskultur«, sagt daher Maximilian Schmidt, Sprecher der Kampagne, die für Samstag um 14 Uhr zu einer Demonstration aus Anlass des Todestages aufruft.

Ähnlich sieht man das bei der »AG Erinnerungspolitik«. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, nun auch Erinnerungsorte für die fünf weiteren Naziopfer zu schaffen: »Wir wollen ihnen Gesicht und Namen geben«, sagt Juliane Nagel.

von Hendrik Lasch, Neues Deutschland vom 26.10.2013